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Entäußerung - ein zweites Fragment. | Avataradio

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Entäußerung - ein zweites Fragment. · 18 November 2021 by Medusa Cramer

2. Teil der Umwelt werden

Er ging ein Stück auf dem asphaltierten Weglein, das von der Herberge zur Busstation führte. Einer plötzlichen Eingebung folgend, schritt er nach ein paar Metern ins Unterholz. Seine Schuhe teilten das dürre Laub, nach ein paar Schritten blieb er stehen. Er war sich bewusst, dass er für Passanten ein seltsames Bild abgab: Dort ist ein Mann im Wald, Mama…

Lange verharrte er im kleinen Waldstück zwischen den Strassen. Die Augen geschlossen, den Geräuschen um ihn herum horchend. Einzelne, spärliche Vogellaute, Wind in den Baumkronen; Waldesstille. Weiter unten die Geräusche der Strasse – die Buslinie, die alle paar Minuten aufheulend den Anstieg der Strasse hörbar werden liess. Mitten im Vormittag herrschte wenig Verkehr. Er dachte daran, wie sehr er Verkehrslärm hasste, die Welt schien ihm beherrscht von Motorenlärm.

Nun zum zweiten Mal aufgebrochen, wollte er in absehbarer Zeit kein Gebäude mehr betreten, keine Anderen mehr beobachten – überhaupt aufhören, ständig zu beobachten, sondern vielmehr irgendwie Teil – zum Beobachteten – werden, also gewissermassen vom Zuschauerraum auf die Bühne wechseln. Was ihm nun nicht hiess, sich möglichst auffällig zu benehmen, etwa als Unhold hier im Wald.

Teil sein. Aber wovon?

Von dem da draussen.

Also nun nicht nur einfach die Bühne des allgemeinen Lebens zu betreten, sondern mit ihr gleichermassen zu verschmelzen, nicht als Teil der Umgebung, sondern der umfassendern, belebten Umwelt als interagierendes Subjekt, Akteur im Netzwerk, als Systemkomponente. Sich auf eine Drift einzulassen und irgendwie zu versuchen, auf ungewohnte Weise mit den Dingen zu interagieren.

Aber wie? Sollte er in diesem Waldstück mit den Bäumen zu sprechen beginnen? Und sich ihre Antwort einbilden?

In seiner Ratlosigkeit berührte er mit der flachen Hand den Baum neben ihm: Die Oberfläche der Rinde war rauh, kühl, feucht. Die Kühle stammte, so spekulierte er, vom verdunstenden Wasser aus der Pflanze – aber geschah so etwas auch durch die Rinde? Oder nur die Blätter? Seine Neuigier wich einem Erstaunen: Etwas regte sich im Baum – eine fast unmerkliche Erschütterung, die sich als eine nicht beschreibbare Energie auf ihn zu übertragen schien. Ein Windstoss in der Krone, ein leichtes Erdbeben? Vielleicht.

To be continued.

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