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Der Pfad zur linken Hand - Teil zwei. | Avataradio

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Der Pfad zur linken Hand - Teil zwei. · 5 Mai 2021 by Medusa Cramer

This is the creation of the world, that the pain of division is as nothing, and the joy of dissolution all. (Aleister Crowley, The Book of the Law, p. 8)

1.

Zurück in der Bankfiliale, Bürogeräusche. Eine Schiebetür öffnet sich, A erscheint und setzt sich an den Tisch gegenüber von B.

A: Du bist hier? Warum bist Du nicht im Homeoffice?
B: In einer Einzimmerwohnung, in der ich mein Bett vom Schreibtisch aus sehen kann? No way. Dann muss ich ja nicht gelebt haben.
A: Ich dachte, Du gehörst zu einer Risikogruppe?
B: Wie schnell die Pandemie unser Vokabular verändert. «Risikogruppe», «Herdenimmunität»: Ja, bin ich. Und? Sind wir bezüglich Sterblichkeit nicht alle Risikogruppe?
A: Freut mich, dass nun auch du die Welt aus einer philosophischen Perspektive zu betrachten in der Lage bist. Unser Ausflug in die Wüste hat da wohl einigen Sand aufgewirbelt?
B: Heute noch finde ich ihn meinen Kleidern, Schuhen; vielleicht hat sich da auch etwas in meinem Gehirn abgelagert? Ein Wunder, hat man uns gefunden.
A: Ja. Von der einen in die andere Wüste zurück, nicht?
B: Wehe dem, der Wüsten birgt!
A: Der gute alte Fritz. Kürzlich sah ich ein Foto von ihm als Jugendlicher, ohne Schnauz. Beängstigend. Diese Verachtung in seinem Gesicht.
B: Vielleicht hasste er es einfach, fotografiert zu werden.
A: Und dass er die Welt Scheisse fand oder sie es tatsächlich ist und er das gemerkt hat?
B. Wirklich witzig. Wieso bist Du denn hierhergekommen? Nutzt Du die Homeoffice-Zeit denn nicht, um deine Kunst zu produzieren?
A: Doch, natürlich. Es ist aber still im Atelier. Ich wollte dein Gesicht mal wieder sehen. Oder irgendeins.
B: Wie das dann wohl weitergeht? Machen sie nach der Pandemie die Filiale zu, weil keinen Bedarf mehr an anwesenden Mitarbeitenden – die Miete für Büroräume herausgeschmissenes Geld?
A: Diese öden Zoom-Meetings; Distanz-Gelaber. Ich schaue jeweils, dass die Hälfte meines Gesichts hinter meinem Namen versteckt ist, dann sieht niemand mein Gähnen. Wir sind nun alle Geister. Virtuelle Präsenzen. Zoom-Meetings als Geister-Séancen: «B, kannst Du uns hören? Schalte bitte dein Mikro ein.»
B: Immerhin könnte man ein ganz anderer sein, mein Gesicht im Monitor der anderen eine Vorspiegelung falscher Tatsachen – oder eine Simulation von sich generieren und etwas völlig anderes tun, während alle glauben, ich sei B und berate gerade eine Kundin.
A: Die neue Subversion: Wir werden zu Geistern, die Arbeitgeber glauben, dass wir für sie arbeiten, tun wir aber gar nicht, sie sehen nur eine Simulation von uns im Zoom. Ein reizvoller Gedanke. Sie glauben, ihre Welt dreht sich weiter und weiter, nichts ändert sich vermeintlich. Wir aber sind in Wirklichkeit draussen, ohne Masken, schaffen Besitztum und Umweltverschmutzung ab und sie merken nichts hinter ihren Hecken, im Resort auf den Seychellen oder wo sonst sie sich vor der Pandemie verkrochen haben.
B: In letzter Zeit kommt mir vermehrt der Gedanke, dass wir eigentlich wichtigere Probleme zu bewältigen haben als dieses Virus. Dieses scheint mir irgendwie nur die Spitze des Eisbergs darzustellen: Unter der Wasseroberfläche verbirgt sich das eigentliche Monstrum… das, ich meine … so, wie alles gekommen ist mit uns und unserem Selbstverständnis auf diesem Planeten. Wenn es das Virus nicht schafft, sollten wir uns vielleicht einfach selbst abschaffen. Schaut man sich die Umweltprobleme in der Summe an – klaren Blickes – dann scheinen unsere bisherigen Gespräche über Macht, Kapital und so weiter ja längst obsolet.
A: Vielleicht nicht abschaffen… aber auflösen? Aufgehen in einer neuen Idee von Welt und unseres Platzes in ihr, der Beziehungen zwischen uns? Ginge das? Was bräuchte es dazu?

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